Der Moro-Reflex und warum du dein Baby über die Seite hinlegen solltest
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass es manchmal schwierig ist, Dein schlafendes Baby aus Deinen Armen abzulegen?
Ein besonders schwieriges Unterfangen... Nicht selten habe ich beobachtet und selbst bei uns zuhause erfahren, wie Babys im Zeitlupen-Tempo in den Kinderwagen manövriert werden. Der Grund für dafür ist der sogenannte Moro-, Umklammerungs- oder Schreckreflex!
Der Moro-Reflex entsteht bereits in der 9. Schwangerschaftswoche, ist bei der Geburt vollständig entwickelt und bildet sich im 3. - 4. Lebensmonat optimalerweise wieder zurück.
Er ist wohl einer der wichtigsten Überlebensstrategien unserer Kinder, denn er öffnet die Luftröhre (auch bei Erstickungsgefahr) und ermöglicht so ihren allerersten Atemzug!
Benannt wurde er übrigens 1918 nach seinem Entdecker, dem österreichischen Arzt Ernst Moro.
Der Moro-Reflex ist wohl einer der wichtigsten Überlebensstrategien für Babys nach der Geburt
Sein Name "Schreckreflex" kommt daher, dass er in Schrecksituation auftritt - oft als Reaktion auf plötzliche, unerwartete Reize. Er ist über alle Sinnesorgane auslösbar, z.B. bei abrupter Lageveränderung, Lichtwechsel, Geräusche oder Schmerz. Ein sehr häufiger, unbewusster Auslöser beim Menschen ist das überraschende Zurückneigen des Babys in die Rückenlage beim Hinlegen.
Hier die Merkmale des Reflexes:
Das Baby streckt die Arme und Beine weit aus und spreizt die Finger auseinander, weitet die Augen, atmet schnappartig ein und erstarrt für einen kurzen Moment in dieser Schreckhaltung.
Anschließend atmet es mit Geschrei wieder aus, zieht die Arme wie bei einer Selbst-Umarmung an den Körper heran und bildet Fäuste.
Bei Säugetier-Jungen, die von ihren Eltern am Körper getragen werden, verhindert diese Umarmung und das Bilden der Fäuste das Herunterfallen vom elterlichen Körper durch das Nachgreifen ins Fell.
Eine wichtige Folge des Reflexes ist die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und die Atem- und Herzfrequenz steigen an.
So erhöht sich das Reaktionsvermögen und die Sensibiliät der Babys.
Was grundsätzlich ein wichtiger Mechanismus ist, sorgt bei häufiger Auslösung für dauerhaft erhöhten Stress
Dieser permanente Zustand der "Alarmbereitschaft" hat Auswirkungen auf das gesamte emotionale Verhalten eines Kindes. Einerseits ist es außerordentlich sensibel, aufnahmefähig, fantasievoll und einfallsreich. Es kann unglaublich viel Wissen erfassen und will immer das Beste erreichen. Oder es neigt zu Überreaktionen, wird aufbrausend. Es kann ein ängstliches Kind werden, das oft mit Rückzug reagiert, oder das Schwierigkeiten hat, neue Kontakte zu knüpfen und Zuneigung zu zeigen oder anzunehmen. Oder es entwickelt sich zu einem eher überaktiven, aggressiven Kind, das sich leicht aufregt und sich schwer tut, die Körpersprache anderer zu verstehen. Durch die Schreckhaftigkeit können Babys nur schlecht schlafen und werden so zusätzlich gereizt.
Da der Körper hier vor allem mit dem Stressabbau beschäftigt ist, kann sich das Immunsystem nicht mehr auf seine ursprüngliche Aufgabe konzentrieren - es kommt zu einem geschwächten Immunsystem, Allergien und Beschwerden rund um die Lunge (besonders nach TCM)
Natürlicherweise wird sich der Moro-Reflex im 3. - 4. Lebensmonat zurückbilden und keine weiteren Sorgen bereiten. Dieser Prozess verläuft natürlich nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt. Wird der Reflex nicht gehemmt, befindet sich das Kind allerdings auf Dauer in einem Zustand erhöhter Aufmerksamkeit, wird angespannt und dauerhaft gestresst.
Wie kannst du den MORO-Reflex vorbeugend vermeiden?
Sehr häufig wird Pucken empfohlen. Dabei wird das Baby sehr fest in ein großes Tuch gewickelt, sodass es nicht hochschrecken und sich selbst aufwecken kann. Der Druck auf der Haut kann wunderbar helfen, die eigenen Grenzen wahrzunehmen. Es ist eine gute Möglichkeit, dem Baby das Gefühl von Geborgenheit außerhalb des Mutterleibs und damit Halt und Sicherheit zu geben.
Außerdem möchte ich euch ein paar kleine Tipps mitgeben, die den Moro-Reflex an der Basis erfassen und nicht nur die Symptome lindern:
SPRICH DEIN BABY AN
Vor dem Ablegen, Hochnehmen und generell vor jeder Lageveränderung: Sprich mit deinem Baby. Das fördert nicht nur die Kommunikation und die Sprache, es stärkt auch die Bindung. Durch die Ansprache wird dein Baby auf dich aufmerksam und wird nicht plötzlich überrascht.
GÖNNT EUCH MEHR RUHE
Wenn du das Gefühl hast, dein Baby ist besonders anfällig für Geräusche, Licht oder andere Auslöser, dann gönne ihm und dir vermehrt Ruhe. Vielleicht braucht es noch ein bisschen Zeit, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Körperkontakt, Kuscheln und Wärme geben deinem Baby alles nötige in dieser Zeit!
Der Alltag mit einem sehr sensiblen Kind kann äußerst herausfordernd sein - nicht nur für die Eltern, sondern besonders für das Kind selbst! Die Ruhe wird euch insgesamt sehr gut tun.
VERMITTLE SICHERHEIT
Hab keine Angst davor, dein Baby kräftig zu halten. Durch deine stützenden Hände, durch einen festen, sicheren Griff, gibst du deinem Kind die Sicherheit, dass du es hältst, dass du es trägst und dass es Stabilität erfährt.
Wenn dein Baby es gerne mag, verwende eine Trage und lerne, sie gut, stabil und fest zu binden. Das gibt zusätzlichen Halt, wenn du zwei freie Hände brauchst oder unterwegs bist. Dein Baby wird dabei auch ganz wunderbar von äußeren Reizen geschützt und bekommt viel Körperkontakt (tatsächlich empfiehlt es sich, Babys im Winter lieber unter einer Tragejacke nahe am Körper zu tragen).
DREHE DEIN BABY ÜBER DIE SEITE
Sowohl beim Hinlegen, wie auch beim Hochheben: vermeide es, dein Baby direkt über die Rückenlage umzulagern und drehe es lieber über die Seite.
Wie? Das siehst du in meinem Video:
Was, wenn der Moro-Reflex bleibt?
Sollte der Moro-Reflex tatsächlich über das 6. Lebensmonat oder sogar über das 1. Lebensjahr erhalten bleiben (d.h. in einen sogenannten "persistierenden" Moro-Reflex übergehen), empfiehlt es sich, einen Arzt zu konsultieren und etwaige Entwicklungsverzögerungen abzuklären.
Bei älteren Kindern und Erwachsenen mit persistierendem Moro-Reflex können sich folgende Merkmale zeigen:
Ständige Ängstlichkeit, überschießende Reaktionen auf Reize, Schwierigkeiten mit Kritik, Entscheidungsfindung oder mit neuen Situationen (die Kinder brauchen geregelte Abläufe und Rhythmen), abwechselnde Hyperaktivität und Ermüdung, der Wunsch, Situationen kontrollieren zu wollen, Gefühl von Unsicherheit, geringes Selbstwertgefühl.
In der Schule zeigen sich manchmal Konzentrationsstörungen, das Kind ist hibbelig, auch ADS oder ADHS werden dann mangels genauerer Erklärung diagnostiziert (dazu komme ich aber ein anderes Mal genauer).
Kinder in jedem Alter, sowie auch Erwachsene, können sich jederzeit zusätzlich zur ärztlichen Abklärung durch Shiatsu begleiten lassen.
Die vorher beschriebene "Grenzenlosigkeit", also das Fehlen der eigenen Grenzen oder das Anerkennen der Grenzen anderer wird im Shiatsu vor allem mit der "vorderen Familie" behandelt - das ist das Areal der Meridiane Lunge, Dickdarm, Magen und Milz. Lunge und Dickdarm sind zuständig für die Grenzen nach Außen, die Lunge vor allem für das Immunsystem und die Haut.
Durch die tiefe Druckqualität beim Shiatsu entspannt sich der Körper, die eigenen Grenzen werden wahrgenommen und Stress abgeleitet. Der Körper kann dabei völlig loslassen und auch in hochsensiblen Situation wieder angstfrei reagieren.
Bis bald und alles Liebe,
Marion
Hat dir dieser Beitrag geholfen? Dann teile ihn doch mit anderen Eltern!